
Nachdem sie viele Jahre mit ihrem Bruder Henry in einem Kinderheim verbracht hat, geht es Anna Price jetzt gut im Leben. Sie ist eine geachtete Lehrerin und führt ein perfektes Leben mit einem schönen Haus am Meer und einem treuen Ehemann, den sie liebt. Bis eines Tages DI Walker ihr mitteilt, dass ihr Bruder ein Serienmörder ist. Seine letzten Morde hat er an ganz bestimmten Tagen begangen, einer davon ist Annas Geburtstag. Keine zwei Tage entfernt. Die Polizei braucht Annas Hilfe, um Henry rechtzeitig zu fassen. Denn er spielt ein altes »Katz-und-Maus-Spiel« aus Kindertagen, das nur Anna kennt. Doch warum? Will er, dass sie ihn findet? Oder ist sie sein nächstes Opfer?

Spannung aus der Familienhölle
In Die Schwester des Serienkillers von Alice Hunter gerät das scheinbar perfekte Leben der Protagonistin Anna Price ins Wanken, als sie plötzlich erfährt, dass ihr Bruder Henry ein gesuchter Serienmörder ist. Was folgt, ist ein nervenaufreibendes Spiel aus Vertrauen, Verrat, dunkler Vergangenheit und einem Tick. Ein gestörtes Katz-und-Maus-Spiel, das Anna besser kennt als jede andere. Der Thriller schafft es, mit geschickt dosierten Rückblenden und spannungsgeladenem Jetzt-Erzählstrang eine Atmosphäre von Bedrohung, Verlust und familiärer Loyalität aufzubauen.
Im Zentrum steht Anna, eine Lehrerin, die sich mit ihrem Mann in einem idyllischen Haus am Meer eingerichtet hat. Bis die Polizei vor ihrer Tür steht. Henrys letzte Morde scheinen mit Daten verbunden zu sein, die nur Anna kennt. Darunter sogar ihr eigener Geburtstag. Plötzlich wird Anna nicht nur zur Mitwisserin, sondern selbst zur Verdächtigen. Die Geschichte entfaltet sich auf zwei Zeitebenen. Die Gegenwart mit der sich entfaltenden Bedrohung und die Vergangenheit im Kinderheim, in der Anna und Henry ihre schwierige Kindheit miteinander geteilt haben. Diese Konstellation erzeugt ein ständiges Gefühl von Doppelspiel, in dem Identitäten verschwimmen und Schicksal und Entscheidung sich gegenseitig überlappen.

Mechanik und Stilmittel des Thrillers
Die Autorin setzt auf einen klaren, flüssigen Stil, der das Lesetempo hochhält und zugleich genug Raum für psychologisches Unbehagen lässt. Vor allem die kurzen Kapitel und die ständigen Perspektivwechsel – von Annas Ich-Erzählung zur distanzierten Vergangenheit – sorgen dafür, dass man weiterlesen muss. Das Zusammenspiel von Familiengeheimnissen, einer verdrängten Kindheit und der Gegenwartsjagd funktioniert hervorragend. Die Spannung entsteht nicht allein durch Horror oder Gewalt, sondern durch die Frage. Wer steht hier auf welcher Seite? Wem kann Anna trauen – sich selbst, ihrem Bruder, der Polizei?
Besonders gelungen ist die Arbeit mit dem Thema Loyalität. Anna hat ihrem Bruder in der Vergangenheit geholfen – doch nun steht alles auf dem Prüfstand. Gleichzeitig wird das Thema Identität immer wieder aufgeworfen .Wer bin ich, wenn mein Bruder ein Mörder ist? Welche Rolle spiele ich in seinem Spiel? Diese Fragen machen den Thriller über das bloße “Wer hat es getan?” hinaus zu einem Spiel mit moralischen und existenziellen Grenzen.
Ein leichtes Manko ist, dass manche Wendungen im Laufe der Handlung vorhersehbarer erscheinen könnten. Doch im Finale überrascht das Buch mit einem Twist, der den Leser erneut blitzartig erwischt. Wer also eine reine Action-Hatz erwartet, könnte die subtilere Herangehensweise als zu gemächlich empfinden. Wer jedoch Spannung, klassischen Psychothriller, und ein Spiel mit Familienvergangenheit sucht, wird hier reich belohnt.

Fazit – Ein würdiger Abschluss mit Nachklang
Als dritter Teil der Reihe Die Familie des Serienkillers bietet Die Schwester des Serienkillers eine eigenständige Geschichte, die auch ohne Kenntnis der Vorgänger funktioniert. Ich wusste zum Beispiel vorab nicht, dass es sich hier um eine Reihe handelt. Gleichzeitig setzt sie aber das Thema der Reihe – Familie als Täternetz –, konsequent fort. Wer sich auf dieses Buch einlässt, trifft auf das perfekte Setting für einen Thriller. Ein idyllisches Zuhause als Bühne des Schreckens. Ein Bruder, der das Leben anderer beendet. Und eine Schwester, die sich zwischen Liebe, Pflicht und Angst aufreibt.
Die Kombination aus emotionalem Tiefgang, psychologischer Vielschichtigkeit und atmosphärischer Dichte macht diesen Thriller zu einer klaren Leseempfehlung. Besonders für Fans von anspruchsvoller Spannung und dunklen Familiengeschichten. Wer bereit ist, sich auf das Unbehagliche einzulassen, bekommt ein Leseerlebnis, das lange nachhallt, denn nicht nur der Täter ist gefährlich. Manchmal ist es das Band, das uns mit ihm verbindet.