
Mit den Bänden 3 und 4 von „Coffee Moon“ entfaltet Mangaka Mochito Bota das surreale Universum rund um Pieta, Danaë und Emmeline auf faszinierende und zugleich erschreckende Weise weiter. Nachdem die ersten beiden Bände vor allem durch ihre düstere Atmosphäre und das beklemmende „Time Loop“-Setting bestachen, gehen Band 3 und 4 einen bedeutenden Schritt weiter. Sowohl inhaltlich als auch emotional. Die Geschichte nimmt Fahrt auf, ohne dabei ihren eigenwilligen Stil oder die psychologische Tiefe zu verlieren.
Der Zeichenstil bleibt ein absolutes Highlight. Die dunklen Kontraste, die oft fast schon expressionistischen Bildkompositionen und die starke Symbolik unterstreichen perfekt die düstere Grundstimmung und machen „Coffee Moon“ zu einem optisch wie erzählerisch außergewöhnlichen Erlebnis.

Die Rückkehr des Lichts: Entwicklung der Protagonisten
Im Zentrum der Geschichte steht weiterhin Pieta, ein junges Mädchen mit melancholischem Blick und schwerer Last. Seit Beginn der Geschichte steckt sie in einem endlosen Tag fest – ihrem Geburtstag – an dem sich alles immer wiederholt. Mit einer Mischung aus Zynismus, Frustration und stillem Schmerz kämpft sie sich durch die Schleife, stets auf der Suche nach einem Ausweg. Ihr Charakter wirkt auf den ersten Blick apathisch, doch in Wahrheit verbirgt sich dahinter ein tief verletztes, aber unerschütterlich starkes Herz.
In Band 3 tritt Danaë, Pietas enigmatische Freundin, noch stärker in den Vordergrund. Ihre aufrichtige, beinahe übertriebene Fröhlichkeit scheint Pietas trübem Weltbild entgegenzuwirken. Doch je mehr man über sie erfährt, desto klarer wird, dass auch Danaë ihr Päckchen zu tragen hat. Sie steht für Hoffnung – eine Hoffnung, die aber keinesfalls naiv ist, sondern bewusst gegen das Dunkel ankämpft.
Ein neuer, gewichtiger Charakter wird ebenfalls weiter eingeführt. Emmeline, deren Rolle in Band 3 zunächst undurchsichtig bleibt, entwickelt sich in Band 4 zu einer zentralen Figur mit überraschender Tiefe. Sie bringt neue Perspektiven in das Geschehen und lässt die Leserinnen und Leser die bisherige Welt mit anderen Augen sehen. Ihre Motivationen sind komplex und sorgen für Spannung – sie ist gleichzeitig Gegenspielerin und Verbündete.
Die Dynamik zwischen diesen drei Mädchen trägt maßgeblich zur erzählerischen Stärke dieser beiden Bände bei. Ihre Interaktionen sind von subtilen Spannungen, inneren Konflikten und leisen Momenten der Nähe geprägt. Gerade das macht „Coffee Moon“ so lesenswert. Es ist nicht die große Action, sondern die stille, psychologische Entwicklung, die unter die Haut geht.

Wendepunkte, Enthüllungen und existenzielle Fragen
In Band 3 beginnt die Realität immer stärker zu bröckeln. Pietas Welt – dieser immer gleiche Geburtstag – zeigt Risse, nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Es gibt erste Hinweise auf den Ursprung der Zeitschleife und was sie ausgelöst haben könnte. Alte Erinnerungen flackern auf, neue Zusammenhänge werden angedeutet. Die Spannung steigt. Vielleicht ist Pieta nicht so allein, wie sie dachte – aber vielleicht sind ihre Feinde auch näher, als ihr lieb ist.
Band 4 bringt schließlich einige spektakuläre Enthüllungen mit sich. Das Worldbuilding öffnet sich, bisherige Gewissheiten werden in Frage gestellt. Das, was wie ein psychologisches Drama begann, entwickelt sich zu einem metaphysischen Thriller mit sozialkritischem Unterton. Besonders stark ist dabei der Umgang mit den Themen Depression, Zweifel an der Realität, Identität und dem Wunsch, „wirklich zu leben“.
Trotz (oder gerade wegen) der Schwärze, die diese Welt durchzieht, bleibt „Coffee Moon“ aber eine zutiefst menschliche Geschichte. Es geht darum, wie wir mit Schmerz umgehen, ob wir uns unserer Vergangenheit stellen können. Und was es heißt, Hoffnung zu bewahren, selbst wenn alles verloren scheint.

Fazit: Ein düsteres Juwel mit Herz
Bände 3 und 4 von „Coffee Moon“ sind ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass Manga auch tiefgründige, poetische Geschichten erzählen können, die sich Zeit nehmen, Atmosphäre zu entfalten und Charaktere vielschichtig zu entwickeln. Mochito Bota gelingt es meisterhaft, surreale Elemente mit psychologischer Spannung zu verweben. Die Zeichnungen tragen die Erzählung ebenso wie der behutsame, manchmal kryptische Text.
Wer sich auf „Coffee Moon“ einlässt, bekommt keine leichte Kost – aber dafür ein Werk, das lange nachhallt. Die neuen Bände bieten nicht nur spannende Weiterentwicklungen der Handlung, sondern auch emotionale Tiefe und eine feine Balance zwischen Dunkelheit und Licht.
Empfehlung? Absolut. Und unbedingt im Dunkeln lesen – mit einer Tasse schwarzem Kaffee.