
Mit Dracula – Die Auferstehung präsentiert Luc Besson eine radikale Neuinterpretation des wohl bekanntesten Vampir-Mythos. Anstatt sich auf Schockeffekte oder klassische Horrorformeln zu verlassen, legt er den Fokus auf die innere Zerrissenheit seiner Figuren und auf eine epische Erzählung von Liebe, Schuld und Wiedergeburt. Im Zentrum steht Vlad, verkörpert von Caleb Landry Jones, dessen Darstellung zwischen dunklem Wahnsinn und verletzlicher Menschlichkeit schwankt. Schon in den ersten Minuten wird deutlich, dass dieser Film weniger auf den schnellen Effekt setzt, sondern vielmehr auf eine emotionale Intensität, die im Gedächtnis bleibt. Die Figur ist nicht bloß ein Monster, sondern ein tragischer Held, dessen leidenschaftliche Obsession mit der Liebe über Jahrhunderte hinweg andauert.
Besson versteht es, den Mythos aus einer anderen Perspektive zu erzählen. Die Konfrontation zwischen Vampir und Kirche wird hier nicht einfach als Gut-gegen-Böse-Schema gezeigt, sondern als spirituelles Ringen, in dem beide Seiten zugleich Verführer und Opfer sind. Christoph Waltz als Priester, der zwischen Abscheu und Faszination schwankt, bringt eine spirituelle Tiefe ins Spiel, die den Film weit über Genregrenzen hinaushebt. Seine Szenen mit Dracula sind weniger Kämpfe als vielmehr Duelle voller psychologischer Spannung, die von gotischen Symbolen getragen werden.

Visuelle Pracht und Tragik
Die visuelle Umsetzung von Dracula – Die Auferstehung ist eine der größten Stärken des Films. Die Burgen und Kathedralen wirken nicht einfach wie Kulissen, sondern wie lebendige Organismen, die die Gefühle der Figuren widerspiegeln. Kalte Steine, von Kerzenlicht durchbrochen, weite Nebellandschaften und verwinkelte Gänge verleihen der Inszenierung eine prächtige, fast barocke Atmosphäre. Dabei erinnert die Bildgestaltung an klassische Gemälde, die zu neuem Leben erwachen. Diese Ästhetik unterstreicht die emotionale Dimension der Handlung: Jede Bewegung, jeder Blick wird von der Architektur umrahmt, die eine melancholische Schwere transportiert.
Der Score von Danny Elfman verstärkt diesen Eindruck noch. Seine Kompositionen reichen von intimen, sanften Klängen bis hin zu wuchtigen Chören, die das Leiden und die ekstatische Sehnsucht Draculas greifbar machen. Besonders in den Szenen mit Zoë Bleu Sidel, die die Doppelrolle Elisabeta/Mina verkörpert, erreicht der Film eine epische Dimension. Hier verbindet sich das intime Drama zweier Liebender mit einer überzeitlichen Tragödie, die an antike Mythen erinnert.
Die Kamera verweilt immer wieder auf Details: eine zitternde Hand, das Aufblitzen eines Dolches, der Schatten einer Tür. Diese Momente erzeugen eine intensive Wirkung, die mehr sagt als lange Dialoge. Gerade weil Besson auf explizite Gewalt weitgehend verzichtet, entsteht eine subtile Spannung. Der Horror liegt nicht im Blut, sondern im Schweigen, nicht im Angriff, sondern im unausgesprochenen Verlangen.

Mythos neu interpretiert
Das vielleicht Beeindruckendste an Bessons Ansatz ist sein Mut, den klassischen Stoff neu zu deuten. Dracula wird hier nicht als bloßer Blutsauger inszeniert. Eher als Verkörperung der Sehnsucht nach Unsterblichkeit und der Qual, diese Sehnsucht nicht stillen zu können. Die Liebesgeschichte zwischen Vlad und Elisabeta zieht sich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte. Sie ist prozessorhafte Erinnerung und lebendige Gegenwart zugleich, ein Kreislauf, der immer wieder Hoffnung weckt und doch im Untergang endet.
Diese dramaturgische Entscheidung macht den Film zugleich faszinierend und herausfordernd. Wer eine klassische Vampirjagd erwartet, könnte enttäuscht sein. Stattdessen entfaltet sich ein mutiges Melodram, das manchmal bewusst überzogen wirkt. Die langen Monologe, die theatralischen Gesten, die fast opernhafte Inszenierung sind kein Zufall, sondern Teil einer Ästhetik, die mehr an Bühnenkunst erinnert als an konventionelles Kino. Manche Zuschauer mögen dies als zu pathetisch empfinden, andere als erfrischend konsequent.
Gerade im Vergleich zu modernen Horrorproduktionen, die oft auf schnellen Nervenkitzel setzen, bietet Besson eine Art Gegenentwurf. Er vertraut darauf, dass die Kraft der Bilder, die Tiefe der Figuren und die mythische Dimension des Stoffes genügen, um ein Publikum in den Bann zu ziehen. Dieser Ansatz zahlt sich aus, wenn man bereit ist, sich auf die Langsamkeit und Schwere des Erzählrhythmus einzulassen.
Die zentrale Frage des Films ist nicht, ob Dracula besiegt wird, sondern ob Liebe und Glaube über das Dunkel triumphieren können . Und ob es überhaupt einen Unterschied zwischen Licht und Schatten gibt. In dieser Ambivalenz liegt die wahre Stärke der Geschichte. Sie zwingt den Zuschauer, eigene Sehnsüchte, Ängste und Vorstellungen von Erlösung zu reflektieren.

Fazit
Dracula – Die Auferstehung ist kein Horrorfilm im klassischen Sinne, sondern ein visuell und emotional überbordendes Epos. Wer sich auf die symbolische Bildsprache und die ästhetische Schwere einlässt, entdeckt eine ungewöhnliche, fast hypnotische Variante des Vampirmythos. Mit Caleb Landry Jones in einer leidenschaftlichen Hauptrolle, Christoph Waltz als spirituellem Gegenspieler und Zoë Bleu Sidel als Verkörperung unerreichbarer Liebe schafft Besson ein Werk, das polarisiert. Aber nicht gleichgültig lässt. Der Film ist dunkle Tragödie, prächtiges Tableau, melancholische Reflexion und epische Liebeserzählung zugleich. Und gerade in dieser Vielschichtigkeit liegt seine Faszination.